Die St. Franziskus-Kirche ist ein vielbeachteter Pionierbau und ein Schlüsselwerk des Architekten Fritz Metzgers. Die für die 1950er-Jahre neuartige Kirchenform, in der Altar und Priester der Gemeinde näher rücken, regte Fragen nach der liturgiegerechten Grundrissgestaltung im katholischen Sakralbau an.
Fritz Metzger (1898–1973) gilt zusammen mit Hermann Baur (1894–1980) als bedeutendster katholischer Kirchenbauer der Schweiz in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Als freier Architekt baute er zwischen 1928 und 1968 neben etlichen Profanbauten 20 Kirchen, unter denen die St. Franziskus-Kirche in Riehen und die Zürcher Kirche St. Felix und Regula – beide 1950 fertiggestellt – eine Schlüsselrolle einnehmen. Metzger hatte 1922 sein fünfjähriges Architekturstudium an der ETH Zürich bei Karl Moser (1860–1938), der Vaterfigur der Architekturbewegung Neues Bauen in der Schweiz, mit dem Diplom abgeschlossen. Bereits mit seinen Kirchenbauten St. Katharina in Zürich (1928) und St. Karl in Luzern (1934) beschritt Metzger neue Wege, indem er architektonische Eigenschaften des Profanbaus gemäss den Postulaten des Neuen Bauens in den Sakralbau integrierte.
Nachdem sein Schaffen durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen worden war, begann Metzger 1945 mit dem Bau der St. Franziskus-Kirche. Sie und ihre Zürcher Variante St. Felix und Regula wurden international viel beachtet, lösten europaweit eine Auseinandersetzung mit der Frage des liturgiegerechten Grundrisses im Kirchenbau aus und wurden schliesslich in der Architekturkritik als wesentlicher Fortschritt im katholischen Kirchenbau gewürdigt. Neuartig war bei beiden Kirchen die Abkehr vom rechtwinkligen Längsbau zugunsten einer freieren Grundrissform. In der St. Franziskus-Kirche ist das Schiff als Kreissektor ausgebildet, dessen seitliche Radien von einem querovalen Altarraum mit Kuppelschale aufgenommen werden. Zwar bleibt die Trennung zwischen Chor und Schiff durch diese Grundrissgestaltung erhalten, doch wird die Distanz zwischen dem Altar und den hintersten Sitzreihen durch die Entfaltung des Baukörpers in die Breite verkürzt. Das bezieht die Gottesdienstbesucherinnen und -besucher stärker mit ein und ermöglicht ihnen eine aktivere Teilnahme am Gottesdienst. Die Gestaltung ist auf den Chor ausgerichtet: Schon die Pflästerung des Vorplatzes verweist auf den Altar und das Laienhaus weist ein leichtes Gefälle zum Altar hin auf. Die Anordnung der Sitzbänke und des Deckengebälks sind entsprechend hufeisenförmig angeordnet und der Lichteinfall ist beim Altar stärker. Während das Schiff lediglich über einen hochliegenden Fensterkranz beleuchtet ist, erhält der Chor über eine deckenhohe Verglasung Tageslicht.
Programmatisch liess sich Metzger bei der Gestaltung des Grundrisses von Rudolf Schwarz beeinflussen, der in seinem Buch ‹Vom Bau der Kirche› (1938) einen neuen Idealgrundriss entworfen hatte. Metzger teilte Schwarz’ Auffassung, die natürliche Gestalt einer betenden und opfernden Gemeinde sei der offene Kreis. Durch Ordnung und Form werde die Masse der Gläubigen zur Gemeinde. Die natürliche Gestalt der Gemeinde solle die Bauform der Kirche bestimmen und eine stärkere Verbindung zwischen Altarraum und Schiff erreicht werden. Während Schwarz die Dualität zwischen Chor und Gemeinderaum auflösen wollte, indem er den Altar im Zentrum des Kreises platzierte, hielt Metzger die Dualität weiterhin aufrecht, wenn auch in abgeschwächter Form.
Äusserlich ist die St. Franziskus-Kirche zurückhaltend gestaltet. Sie wurde als ausgefachter Betonbau ausgeführt und die Struktur durch verputzte Fugenstriche akzentuiert. Markant ist ihre zurückversetzte Eingangspartie. Der damaligen Tendenz folgend, sind die Bauvolumen aufgegliedert, sodass Sakristei und Pfarrhaus winkelförmig an den Chor angebaut sind. Der Turm steht frei und ist das weithin sichtbare Wahrzeichen der Anlage. Die Glocken wurden aufgrund Geldmangels erst 1959 aufgezogen.
1989 wurde der Innenraum durch Pierre Casè künstlerisch ausgestaltet.
Autorin / Autor: Felix Steininger | Zuletzt aktualisiert am 10.7.2024
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