Mitten im Zentrum Riehens, ausserhalb des Kirchhofs, liegt die ehemalige Landvogtei. Das Gebäude an der Kirchstrasse 13 diente ab 1540 der Stadt Basel als Dienstgebäude und ‹Zehntenhaus› der Basler Obervögte. Seit 1807 befindet es sich in Privatbesitz und steht seit 1945 unter Denkmalschutz.
Die ehemalige Landvogtei liegt im Dorfkern Riehens an der Kirchstrasse 13. Das Kloster Wettingen liess an dieser Stelle vermutlich in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ein Zehntenhaus errichten, das 1540 mit den Rechten an der Kirche und allen übrigen Besitzungen in der Gemeinde an die Stadt Basel verkauft wurde. In der Folge nutzte der Basler Obervogt das Haus als Verwaltungsgebäude und Zehntentrotte. Das jährliche Eintreiben der Grundsteuer, des sogenannten Zehnten, war eine der Aufgaben des Landvogts. Die Naturalsteuern Korn und Trauben wurden in der Zehntentrotte und in der Zehntenscheune gelagert und weiterverarbeitet.
Nach dem Ende des Ancien Régime 1798 wurde das Amt des Landvogts von Riehen abgeschafft. Die Landvogtei, die im Lauf des 17. und 18. Jahrhunderts mehrfach ausgebaut worden war, wurde für neue Verwendungszwecke frei und ging 1807 in Privatbesitz über. Die frühere Zehntenscheune wurde 1911 nach einem Brand verkleinert und 1952 ganz abgebrochen.
1945 stellte die kantonale Denkmalpflege die Landvogtei unter Denkmalschutz. Der damalige Besitzer, Nationalrat Nicolas Jaquet-Dolder (1898–1986), liess sie 1948 zu einem Wohnhaus umbauen. Dabei wurden in den Innenräumen Deckenmalereien entdeckt und freigelegt. Ab 1964 vermietete Jaquet das Haus an den Diplomaten und Wirtschaftsführer Victor Umbricht.
Die einstige Doppelnutzung des Gebäudes als Amtssitz und Kelteranlage lässt sich noch heute am Baukörper der ehemaligen Landvogtei ablesen. Der niedrigere westliche Gebäudeteil bildete das Amtshaus des Vogtes, der seinen Wohnsitz in der Stadt beibehielt. Im Innern haben sich Deckenmalereien und Täfer aus dem 17. Jahrhundert erhalten. Der Osttrakt besitzt ein hohes Erdgeschoss, in dem die Trotte untergebracht war, und ein mächtiges Krüppelwalmdach. Das hohe Zufahrtstor zum Trottenraum wurde nach 1808 vermauert. Heute befinden sich in diesem Bereich der Fassade zwei neugotische Staffelfenster aus den 1950er-Jahren, über die mittig ein 1603 datiertes Baselwappen in die Wand eingelassen ist. Zwei weitere Wappenreliefs sind an der rechten Hausecke eingemauert. Sie beziehen sich auf den Abt Rudolf Wülflinger, der von 1425 bis 1434 dem Kloster Wettingen als Abt vorstand.
Autorin / Autor: Luzia Knobel | Zuletzt aktualisiert am 24.1.2024
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