Haus Schaeffer

Sandreuterweg 44

Das 1929 fertiggestellte Haus Schaeffer ist das zweite der drei Einfamilienhäuser mit Stahlskelett des Architekturbüros Artaria und Schmidt in Riehen. Das Haus zählt aufgrund seines programmatischen Charakters zu den wichtigsten Werken des Neuen Bauens in der Schweiz. Es wurde als Prototyp für eine Siedlung mit Reihenhäusern entworfen und 1929 auf einem Architekturkongress präsentiert, der sich mit günstigen Wohnungsformen auseinandersetzte.

Die Architekten Paul Artaria und Hans Schmidt schufen in Riehen Ende der Zwanzigerjahre mit den Wohnhäusern Colnaghi, Schaeffer und Huber drei Gebäude, in denen sie die Ideen der Architekturbewegung Neues Bauen umsetzten: Typisierung, Standardisierung, Industrialisierung. Durch die Verwendung neuer Materialien und Bautechniken konnten sie sich über die Schweizer Landesgrenzen hinaus einen Namen als Architekturpioniere machen. Die Flachdächer und Bandfenster, die rationalen Grundrisse und die Farbgebung der Häuser weisen auf die geistige Verwandtschaft mit Le Corbusiers Architekturvorstellungen hin und unterscheiden die Häuser aufgrund ihrer Leichtigkeit von der damals herkömmlichen Massivbauweise.

Das Musikerehepaar Muriel und Edmund Schaeffer-von Dechend gab das Haus 1927 in Auftrag. Edmund Schaeffer war mit Hans Schmidt (1893–1972) befreundet. Sie kannten sich von der Basler Künstlergruppe Rot-Blau. Muriel Schaeffer war die Tochter der Bauherrin des Hauses Im Schlipf, das Schmidt von 1924/25 projektiert hatte.

Den Baukörper des Hauses bilden zwei Quader, die jeweils ein Geschoss umfassen. Auf dem kurzen Flügel des Erdgeschosses ruht der lange Baukörper des ersten Stocks, zur Hälfte auf Stahlstützen, und scheint schwerelos zu schweben. Die Fassaden sind glatt, die Schiebefenster fassadenbündig. Die Doppelverglasung und die Eisenrahmung der Fenster wurden neu entwickelt. Ansonsten griffen die Architekten bei der Materialwahl auf vorgefertigte Serienprodukte zurück, um Zeit und Geld zu sparen: Das Haus wurde innerhalb von nur sieben Monaten gebaut. Nachdem das tragende Stahlskelett montiert war, wurde es mit Bimsbetonplatten ausgefacht und das Haus schliesslich mit einer Backsteinschicht isoliert.

Dem Haus liegt ein klares Konzept zugrunde: Um die Nutzung zu optimieren, ist es nach Funktionen aufgeteilt. Architekten werten das Haus Schaeffer deshalb als einen der wichtigsten Beiträge des Neuen Bauens in der Schweiz. So sieht beispielsweise Marco Zünd in ihm die «Kerngedanken des Neuen Bauens […] in einer Vollkommenheit ausgeführt, die mustergültig ist». Im Erdgeschoss befinden sich die Wirtschaftsräume, eine kleine Küche und ein grosszügiger Wohnraum, während im ersten Stock fünf Schlafzimmer und ein Badezimmer untergebracht sind. Die Zimmer des Obergeschosses sind wie Schlafwagenabteile hintereinander gereiht und über einen langen, mit Wandschränken bestückten Gang erschlossen. Die grosszügigen Fenster der Schlafzimmer und des Wohnraums sind nach Süden ausgerichtet, sodass viel Sonne und Licht ins Innere dringen.

Das Haus wurde nicht als Einzelhaus, sondern als Prototyp für eine Reihenhaussiedlung konzipiert. Artaria und Schmidt beabsichtigten eine Massenfertigung, um die Baukosten zu senken und breiten Bevölkerungsschichten ein komfortables und doch erschwingliches Eigenheim zu bieten. Das Wohnhaus Schaeffer wurde 1929 am Congrès International d’Architecture Modern (CIAM) ausgestellt, der zum Thema ‹Wohnen für das Existenzminimum› in Frankfurt abgehalten wurde.

Raumeinteilung und Gestaltung sind von Le Corbusiers Architekturideen beeinflusst. Der erste Stock ist dessen ‹Schlafwagen-Haus› verpflichtet, das 1927 in der Stuttgarter Weissenhofsiedlung errichtet worden war. Schmidt hatte sich auch den von Le Corbusier 1921 geprägten Begriff der ‹Wohnmaschine› zu eigen gemacht. Er legte ihn 1927 in der Architekturzeitschrift ‹ABC, Beiträge zum Bauen› radikal aus, indem er forderte, Typengrundrisse «ebenso rationell einzuteilen, wie dies heute im Waggon- und Automobilbau» praktiziert werde. Im Haus Schaeffer ist die Umsetzung dieser Forderung beispielhaft. Bei aller Nähe zu Le Corbusier sind allerdings auch Unterschiede zu benennen: Während Le Corbusier absolute Gestaltungsfreiheit proklamierte, folgte Schmidt beispielsweise in der Gestaltung der Typengrundrisse industriellen Normen.

Das Haus Schaeffer wurde 1990 renoviert und vom Basler Heimatschutz prämiert. Das Architekturbüro Herzog & de Meuron verantwortete zusammen mit dem Restaurator Paul Denfeld die teilweise Rückführung in den Originalzustand. Die Fensterrahmen, das Balkongeländer und die Eisenstützen der ehemals offenen Halle wurden ultramarinblau gestrichen. Die ursprüngliche Isolierverglasung, die durch Kunststofffenster ersetzt worden war, wurde nachgebaut und wieder eingesetzt. Der Basler Regierungsrat stellte das Haus 2006 unter Schutz.

Autorin / Autor: Felix Steininger | Zuletzt aktualisiert am 12.9.2023

Fakten

Haus Schaeffer
Sandreuterweg 44
1927–1929
Edmund und Muriel Schaeffer-von Dechend
Unter Denkmalschutz

Jahrbuch z’Rieche

Literatur

Jahrbuch z’Rieche

Schiess, Robert: Neues Bauen in Riehen. In: Jahrbuch z’Rieche 2005. S. 90–97, hier S. 93f.

Weitere Literatur

Heimatschutz Basel: Jahresbericht 2013/2014. URL: JB_2013-14_01.pdf (heimatschutz-bs.ch) (20.01.2022).

Rüegg, Arthur: Artaria und Schmidt, Haus Schaeffer in Riehen/BS, 1927/28. In: Archithese 24 (1994). S. 36.

Schmidt, Hans: Typengrundrisse. In: ders.: Beiträge zur Architektur. 1924–1964. Zusammengestellt und eingeleitet von Bruno Flierl. Ergänzt durch die Einleitung von Aldo Rossi zur italienischen Ausgabe (1974). Zürich 1993. S. 38–40.

Suter, Ursula: Als selbstständiger Architekt in Basel, 1922–1930. In: dies. (Hg): Hans Schmidt 1893–1972. Architekt in Basel, Moskau, Berlin-Ost. Zürich 1993. S. 127–206.

Zünd, Marco: 7. Haus Schaeffer. In: Heimatschutz Basel und Gemeinde Riehen (Hg.): Baukultur entdecken. Neues Bauen in Riehen. Riehen / Basel 2005.

 

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