Verkehrsverein Riehen

VVR

Der Verkehrsverein Riehen wurde 1899 gegründet. Er prägt die Modernisierung Riehens und das kulturelle Leben in der Gemeinde bis heute mit.

Gründung

Der Verkehrsverein Riehen (VVR) wurde 1899 mit dem Ziel gegründet, in wichtigen Angelegenheiten die Interessen von Bevölkerung und Gemeinde zu bündeln und zu wahren. Konkret gingen der Gründung die Diskussionen rund um eine Tramverbindung mit Basel sowie über eine mögliche Schliessung des Riehener Telegrafenbüros voraus. Zudem sah sich der VVR als Forum für die Verbesserung der Wohn- und Lebensverhältnisse in Riehen. Damit wollte man neue Einwohnerinnen und Einwohner gewinnen.

Verschränkungen mit der Politik

Die im 19. Jahrhundert gegründeten Riehener Vereine waren teilweise Vorläuferorganisationen der später entstehenden politischen Parteien, so auch der VVR. Zur Zeit seiner Gründung gab es in Riehen noch kein Gemeindeparlament. Die politischen Geschäfte wurden an der Versammlung der Einwohnergemeinde verhandelt. Gerade in Bezug auf Neuerungen, Modernisierung und Dorfentwicklung gab es sehr unterschiedliche Tendenzen. Die alteingesessenen Bürger, die sich eher für die Wahrung des Bestehenden einsetzten, überstimmten die progressiven Kräfte, die meisten davon Neuzuzüger aus der Stadt. Der VVR vertrat seit seiner Gründung die Modernisierung Riehens und es gelang ihm, die Forderung nach Entwicklung auf das politische Parkett zu bringen.

Das gefiel nicht allen Einwohnern. Einige sahen im VVR einen Verein der unliebsamen Neuerer. Die Vereinsmitglieder stammten meist aus dem Mittelstand: 1904 gehörten Lehrer, Wirte, Doktoren, Professoren, Zollbeamte und Landwirte, vereinzelt auch Frauen dazu.

Die führenden Politiker waren sich jedoch der Kraft des VVR bewusst und begannen, ihn in die Politik einzubinden und sich aktiv im VRR einzubringen. Mehrere Gemeinderäte bekleideten leitende Ämter im VVR, beispielsweise die Gemeindepräsidenten Heinrich Weissenberger und Otto Wenk. In der Folge wurde es schwieriger, ohne gute Verankerung im VVR in ein politisches Amt gewählt zu werden.

Der VVR spielte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine tragende Rolle innerhalb der kommunalen Politik, später verschob sich sein Tätigkeitsfeld in den kulturellen Bereich.

Verkehr und Infrastruktur

Der VVR engagierte sich nach seiner Gründung für die Strassenbeleuchtung, die Energieversorgung oder die Kanalisation. Zudem bemühte er sich um geeignete Spazierwege oder initiierte in den 1910er-Jahren eine erste Natureisbahn.

Mit den neuen Wohnsiedlungen zwischen der Stadt und Riehen nach dem Zweiten Weltkrieg geriet das Thema Bauen in den Fokus des VVR: Er gründete eine Kommission für Heimatschutz.

Ein weiteres zentrales Thema war der Verkehr: Bereits in den 1920er- und 1930er-Jahren engagierte sich der VVR für geschützte Fusswege. Ab den 1960er-Jahren drehten sich die verkehrspolitischen Diskussionen vor allem um das Auto, konkret um eine Umfahrungsstrasse und eine Tiefgarage unter dem Dorfzentrum. Der VVR richtete daraufhin eine Verkehrskommission ein, die sich mit diversen weiteren Fragen der Riehener Verkehrspolitik auseinandersetzte und beispielsweise auch die ersten Übersichtpläne der Gemeinde herausgab.

Kulturelles Leben

Der VVR organisierte seit seiner Gründung um die Jahrhundertwende Vorträge, Lesungen, Konzerte, Jubiläumsfeiern oder Theateraufführungen. Zudem initiierte er gemeinsam mit Albert Schudel-Bleiker das erste ‹Anzeige- und Verkehrsblatt von Riehen und Bettingen›, das später zur ‹Riehener Zeitung› wurde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg baute der VVR seine Aktivitäten im kulturellen Bereich aus. Der Verein hatte mit der Gemeinde einen periodisch erneuerten Subventionsvertrag. Mit dem erhaltenen Geld wurden Kulturveranstalter wie Theater in Riehen, Kunst in Riehen, die Arena Literatur-Initiative oder das Kaleidoskop unterstützt. Zwischen 1961 und 1989 war der VVR zudem Herausgeber des Jahrbuchs ‹z’Rieche›. Diese Organisationen gingen teilweise aus Kommissionen des VVR hervor und es gab auch personelle Verflechtungen. Als der Subventionsvertrag 1998 auslief, wurde er nicht mehr erneuert. Stattdessen stellte die Gemeinde einen eigenen Kulturdelegierten ein.

Der auf dem Prinzip der Ehrenamtlichkeit basierende Verein stiess an seine Grenzen und es kam zu diversen Meinungsverschiedenheiten mit den Behörden betreffend Kulturförderung in der Gemeinde. Die Gemeindeverwaltung übernahm einen Grossteil der Aufgaben des VVR, gewisse Projekte wurden aus dem Verein ausgegliedert und blieben als selbstständige Organisationen bestehen.

Entwicklungen seit der Jahrtausendwende

Bis 2017 organisierte der VVR die 1.-August-Feier in Riehen und ab 2008 gemeinsam mit der Dokumentationsstelle die Dorfführungen. 2008 gab er eine Publikation heraus zum 100-Jahr-Jubiläum der Tramverbindung zwischen Riehen und Basel und 2010 organisierte er die Durchführung des ‹Donschtig-Jasses› des Schweizer Fernsehens in Riehen.

Als die Gemeinde 2018 die 1.-August-Feier und die Führungen ganz übernahm, kam die Frage nach den Aufgaben und damit der Berechtigung des Vereins auf. Sogar die Auflösung stand zur Diskussion. Die Mitglieder entschieden sich aber dagegen. Heute organisiert der VVR Veranstaltungen wie das Adventskonzert und den Blütenball und hat einen festen Vertreter im Stiftungsrat des Jahrbuchs ‹z’Rieche›.

Autorin / Autor: Nils Widmer | Zuletzt aktualisiert am 30.6.2024

Fakten

VVR
1899

Artikel

Jahrbuch z’Rieche

Archive

Dokumentationsstelle Riehen


RIE A.1 104.1.12

Literatur

Jahrbuch z’Rieche

Jaquet-Anderfuhren, Nicolas: 100 Jahre Verkehrsverein Riehen. Wegbereiter für ein modernes Riehen. In: Jahrbuch z’Rieche 1999. S. 78–107.

Zinkernagel, Robert: Der Verkehrsverein Riehen. In: Jahrbuch z’Rieche 1965. S. 68–76.

Weitere Literatur

Hagmann, Daniel: Herausforderung Verkehr. In: Schnyder, Arlette et al.: Riehen – ein Portrait. Basel 2010. S. 156–183, hier S. 170.

Meyrat, Sibylle: Freizeit und Begegnung. In: Schnyder, Arlette et al.: Riehen – ein Portrait. Basel 2010. S. 240–271, hier S. 251, 258, 270.

Meyrat, Sibylle: Kulturelle Vielfalt. In: Schnyder, Arlette et al.: Riehen – ein Portrait. Basel 2010. S. 272–299, hier S. 274, 277f., 288, 292, 295.

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