Der Kirchenbann war ein staatliches Kontrollorgan, das über das Betragen der Dorfbevölkerung wachte und bei sittlichen Vergehen Strafen verhängen konnte. Es bestand von 1530 bis 1874.
1530, ein Jahr nach dem Durchbruch der Reformation in Basel, setzte die Basler Obrigkeit zur Überwachung des religiösen und sittlichen Benehmens in der Dorfbevölkerung und zur Einhaltung der zahlreichen von ihr verhängten Sittenmandate den Kirchenbann ein. Diese Behörde setzte sich aus dem Pfarrer, dem Untervogt und einigen weiteren Männern, den Bannbrüdern, zusammen. Die Sitzungen fanden monatlich statt. Über die Beschlüsse wurde Protokoll geführt, die ab 1797 erhalten sind.
Die Bannbrüder sollten einerseits der Dorfgemeinschaft durch vorbildliches Verhalten ein gutes Beispiel geben, andererseits ihre Mitbürger kontrollieren. Die zwei ältesten Bannbrüder halfen zudem dem Pfarrer bei der Feier des Abendmahls. Als Entschädigung durften sie zwei sogenannte Bannbrüdermatten nutzen. Während der Gottesdienste sassen die Bannbrüder als Aufseher im Chor der Kirche. Einem jeden von ihnen war zudem die Aufsicht über einen Teil des Dorfes übertragen. Wer gegen die Sittlichkeit oder gegen die Gebote verstiess, mussten sie warnen und dem Pfarrer anzeigen. Strafbare Handlungen waren gemäss der Kirchenordnung von 1725 Fluchen, Schwören, Gotteslästerung und abergläubische Praktiken. Zudem wachten die Bannbrüder über die Einhaltung der Sonntagsruhe und die Sitzordnung in der Kirche.
Als Sittengericht konnte der Kirchenbann ein Wirtshausverbot über liederliche Leute und Trunkenbolde verhängen. Wer gegen die Kirchenordnung verstiess, wurde mit dem Bann bestraft, was Ausschluss von Kirchenbesuch und Abendmahl bedeutete. Vor allem Unzucht, vorehelicher Geschlechtsverkehr, eheliche Untreue und uneheliche Geburten wurden streng bestraft. Zusätzlich wurden die Bestraften oft in der sogenannten Trülle, einem drehbaren Käfig neben der Kirche, aus- oder während des sonntäglichen Gottesdienstes in der Kirche der Gemeinde vorgestellt. Ledige Frauen, die schwanger geworden waren, wurden von zwei Bannbrüdern während der Geburtswehen nach dem Namen des Kindsvaters befragt. Solche Genisstverhöre sind in Riehen bis 1832 nachgewiesen.
Der Kirchenbann trat zur Zeit der Helvetischen Republik nicht zusammen, wurde aber 1803 nach deren Zusammenbruch wiederhergestellt. Er bestand neu aus zehn Mitgliedern, darunter drei aus Bettingen. Bis 1836 ergänzte sich der Kirchenbann selbst, dann erfolgte einige Jahre lang die Wahl durch das Los. Erst 1842 wurde die Volkswahl eingeführt. 1864 endet das Bannprotokoll, 1869 wurde letztmals ein Bannbruder gewählt und 1874 wurde der Kirchenbann definitiv abgeschafft.
Autorin / Autor: Albin Kaspar | Zuletzt aktualisiert am 2.5.2024
Kirchenarchiv DD 9: Bannbrüder, 1821–1848
Kirchenarchiv DD 10: Protokoll des Banns, 1797–1864
Linder, Gottlieb: Geschichte der Kirchgemeinde Riehen-Bettingen. Basel 1884. S. 141f., 147–152, 159f.
Raith, Michael: Gemeindekunde Riehen. 2. überarbeitete und aktualisierte Aufl. Riehen 1988. S. 189, 237.
Schnyder, Arlette: Kirchen im Dorf. In: Schnyder, Arlette et al.: Riehen – ein Portrait. Basel 2010. S. 327–359, hier S. 332f.