K. Schneider, Instrumentenbau Riehen

Die Firma ‹K. Schneider, Instrumentenbau Riehen› wurde kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs vom Geigenbauer Karl Schneider gegründet. Während 37 Jahren wurden im Gewerbebetrieb an der Bahnhofstrasse 1 in Riehen Konzert-, Hawaii-, Jazz- und E-Gitarren hergestellt. Das Familienunternehmen lieferte die Instrumente an die Musikhäuser der Schweiz und des angrenzenden Auslands.

Vorgeschichte

Karl Schneider hatte seinen Beruf beim Geigenbaumeister Paul Meinel in Basel erlernt. In der Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre, als die Nachfrage nach Geigen einbrach, begann er in Basel Gitarren zu bauen. Unter der Marke ‹Grando› wurden im Musikhaus Meinel in Basel schon vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs Konzert-, Jazz- und Hawaii-Gitarren angeboten. Zu dieser Zeit baute Schneider nach amerikanischem Vorbild erste E-Gitarren. Diese Grando-Modelle gelten als die ersten handelsüblichen E-Gitarren Europas.

Firmengründung im Riehener Oberdorf

Schneider wollte Gitarren in gewerblicher Produktion mit dem Einsatz von Holzbearbeitungsmaschinen rationell herstellen. Zu diesem Zweck gründete er 1945 im Haus seiner Schwiegereltern an Oberdorfstrasse 43 die Einzelfirma ‹K. Schneider, Instrumentenbau Riehen›. Der junge Unternehmer entwickelte ein grosses Sortiment von Konzert- Hawaii-, Jazz- und E-Gitarren, die er unter seinem eigenen Label ‹Rio› dem Musikhandel anbot.

Zur Verwirklichung seiner Pläne und für die Bedürfnisse der Familie liess Schneider 1945 am Rande des Dorfes an der Mohrhaldenstrasse 50 ein Einfamilienhaus mit Werkstatt und Maschinenraum bauen. Dort bezog die Firma im Herbst 1945 den neuen Geschäftssitz. Aufgrund der erfolgreichen Entwicklung des Geschäfts mussten bald Mitarbeiter eingestellt werden. 1948 konnte Schneider ein Ladenlokal mit Werkstatt an der Rössligasse 28 mieten, wo auch ein Direktverkauf von Gitarren, anderen Instrumenten, Musikalien und Radios möglich war.

Blütezeit des Gitarrenbaus

Mit dem Umzug in das historische Gebäude Bahnhofstrasse 1, ein ehemaliges Schulhaus, erhielt der inzwischen gewachsene Gewerbebetrieb 1950 endlich den nötigen Raum. Hier fand alles, von der grossen Werkstatt mit Werkbänken für Gitarrenbauer, dem Maschinenraum, dem Spritzraum bis zum Verkaufslokal, unter einem Dach Platz.

In der Nachkriegszeit wurde die populäre Musik aus den USA in Europa immer beliebter. Bei den nacheinander boomenden Wellen der Hawaii-, Jazz-, Western-, Rock- und Popmusik war die E-Gitarre das dominierende Element.

Bald war die Firma in Riehen eine bekannte Adresse für Gitarristen aus der Schweiz. Schneider ging auf die Bedürfnisse der Musiker ein und stellte Instrumente nach deren Wünschen her. Aufgrund des Feedbacks der Gitarristen wurden die Rio-Modelle stets weiterentwickelt und dem Stilwandel angepasst.

In den 1960er-Jahren erreichte die Nachfrage nach Gitarren ihren Höhepunkt. Die Firma beschäftigte zeitweise bis zu zehn Mitarbeitende. Die Jahresproduktion erreichte Stückzahlen von über 1000. Die Ehefrau Marie Schneider-Wenk übernahm vermehrt Aufgaben im Betrieb. Mit viel Geschick versah sie die akustischen Hawaii- und Westerngitarren mit Brandmalereien. Bis zu ihrem frühen Tod im Jahr 1969 brachte sie die fertigen Instrumente auf Hochglanz und pflegte die Kundenkontakte. Ab den 1960er-Jahren halfen auch die Tochter Elsbeth und der Schwiegersohn Jean-Pierre Vocat im Familienbetrieb mit.

Ende der gewerblichen Produktion

In den 1970er-Jahren wurde der Gitarrenmarkt mit Billigprodukten aus Asien überschwemmt. Zudem wurden damals die Rohmaterialien infolge der Ölkrise teurer. Trotz Rationalisierungsmassnahmen geriet die Produktion unter Kostendruck. 1975 zog sich Karl Schneider aus der Firma zurück und übergab den Betrieb seiner Tochter und dem Schwiegersohn. Diese führten das Geschäft unter dem Namen ‹Vocat-Schneider Gitarrenbau GmbH› weiter. Am 16. November 1981 wurde die Firma im Handelsregister gelöscht. Während einigen Jahren bot Elsbeth Vocat-Schneider noch Reparaturarbeiten und Ersatzteile an.

Musiker verschiedener Stilrichtungen von der Klassik, Hawaii-Musik bis zu Jazz, Rock und Pop wie zum Beispiel Django Reinhard, Pierre Cavalli oder die Minstrels spielten auf Rio-Gitarren. Auch heute sind weltweit noch viele Instrumente im Umlauf. Diese als Vintage-Gitarren bezeichneten Instrumente sind in Museen wie dem Musikmuseum Basel oder dem Musée des musiques populaires MuPop in Montluçon (Frankreich) ausgestellt, werden auf Auktionen gehandelt und von Sammlern gesucht.

Am 3. Februar 2008 wurde das Haus Bahnhofstrasse 1 durch einen Grossbrand zerstört, dem auch der grösste Teil des Firmenarchivs und der Restbestand an Tonhölzern zum Opfer fielen.

Autorin / Autor: Dieter Schneider-Wenk | Zuletzt aktualisiert am 18.3.2024

Fakten

Vocat-Schneider Gitarrenbau GmbH
1945
1981, Löschung aus dem Handelsregister

Artikel

Jahrbuch z’Rieche

Archive

Dokumentationsstelle Riehen

Privatarchiv Karl Schneider – Rio-Gitarren

Literatur

Jahrbuch z’Rieche

Schneider-Wenk, Dieter: Musikinstrumentenbauer Karl Schneider und die E-Gitarre. In: Jahrbuch z’Rieche 2019. S. 68–78.

Weitere Literatur

Aplanalp, Andrej: Die Basler Väter der E‑Gitarre. Blog des Schweizerischen Nationalmuseums, 26.12.2023. URL: https://blog.nationalmuseum.ch/2023/12/e-gitarren-aus-basel/ (04.01.2024).

Grenet, Stanislas und Marc Sabatier: Les Guitares Rio. Schneider et Bianchi: histoire d’une rencontre. In: Revue Vintage Guitare. Nr. 3, 2011. S. 18–23.

Kaspar, Albin et al.: Häuser in Riehen und ihre Bewohner. Heft IV. Riehen 2022. S. 127.

Links

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